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Personal // Thoughts: Fünf Wochen Ausnahmezustand – Wie es uns als Familie geht und warum wir Mamas auch jammern dürfen

18. April 2020

Fünf Wochen sind es nun. Fünf Wochen, die unser aller Leben auf den Kopf gestellt haben. Von heute auf morgen. Nichts mehr so, wie davor. Seitdem versuche ich, meine Gefühle zu definieren, sie in Worte zu fassen. Aber bisher gelang es mir nicht. Weil ich es nicht greifen konnte. Weil ich mich wie benebelt fühlte, wie in einem schlechten Traum, aus dem ich doch bitte gleich erwachen möge. Er kam dann so schnell, dieser Lockdown, und auch wenn er irgendwie zu erwarten war, war wohl keiner wirklich auch nur annähernd darauf vorbereitet. Wie ein Wurf ins kalte Wasser. Ein Sprung ins Unbekannte und vorher nie Dagewesene.

Ich versuchte, optimistisch zu bleiben. Mit plötzlich drei Kindern rund um die Uhr zu Hause. Davon ein kleines Baby, ein Kindergarten- und ein Schulkind. Irgendwie würden wir es schon hinbekommen. Aber es war von Anfang an nicht leicht. Auch wenn es mal bessere Tage dazwischen gab, überwiegten auch oft die, an denen ich am liebsten einfach nur davon laufen wollte. Oft saß ich abends, wenn endlich Ruhe nach einem langen Tag eingekehrt war, einfach nur da. Und dann kamen sie, die Tränen. Unbeschreibliche Gefühle, die sich ihren Weg bahnten. Weil einfach so rein gar nichts lief. Ich konnte mich einfach nicht durch Drei teilen. Da war Mika-Flynn, mit seinen Schulaufgaben, der alle paar Minuten um Hilfe bat, sich nicht konzentrieren wollte oder mit den Gedanken abschweifte. Oder der sich von Taavi ablenken ließ, der irgendwie anfangs so gar nicht verstehen wollte, warum er nun nicht mit seinem großen Bruder spielen kann. Für mein Kindergartenkind brachen plötzlich auch die gewohnten Vormittage im Wald weg, an denen er sich austoben und durch die Natur tollen konnte, so viel er wollte. Und nicht zu vergessen mein kleiner Keijo, der allein mich ja schon rund um die Uhr brauchte. Da war ich eigentlich ganz froh, als noch alles normal war und Mika-Flynn und Taavi zumindest morgens anderweitig beschäftigt wurden, damit ich mich in dieser Zeit ausschließlich um mein Baby und evtl. auch etwas um den Haushalt und mich kümmern konnte. Wobei sicher auch jede Mama weiß, dass diese “kinderfreien” Vormittage schneller vergehen, als man schauen kann. Aber zumindest ein wenig würde man in dieser Zeit schaffen. Und sich dann umso mehr freuen, wenn die ganze Bande dann nachmittags wieder zu Hause war.

Doch nun sollte ich von heute auf morgen unsere normale Tagesroutine austauschen. Sollte auf einmal Lehrerin, Erzieherin und Mama gleichzeitig sein. Von drei Kindern mit komplett unterschiedlichen Bedürfnissen. Nebenbei sollte der Haushalt einigermaßen weiterlaufen und meine Arbeit als Selbstständige. Und wenn man sich außerdem nicht völlig selbst dabei vergessen möchte, dann wird es einfach ein Ding der Unmöglichkeit, alles unter einen Hut zu bekommen und allem und jedem gerecht zu werden in dieser sowieso schon ungewissen und schwierigen Zeit.

Wenn man geplagt wird von Ängsten und Sorgen, nicht weiß, wie sich alles entwickelt und wohin es führt, dann ist es nicht einfach, seinen Kindern gegenüber immer optimistisch und zuversichtlich zu bleiben. Es ist nicht gesund, alles in sich hinein zu fressen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Kinder sind ja schließlich auch nicht blöd. Sie haben feine Antennen und spüren sofort, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Und so habe ich meinen Jungs angemerkt, dass sie von der Situation überfordert waren, viel zu aufgedreht, energiegeladen, wild. Aber teilweise auch in sich gekehrt, nachdenklich und sehr sensibel. Selbst wenn sie es in ihrem Alter noch nicht so in Worte fassen können, arbeitet es eben auch in ihnen. Was ist da los auf der Welt? Wie geht es weiter? Warum darf ich nicht mehr zur Schule gehen, meine Freunde sehen? Draußen spielen, toben und unbeschwert sein? Warum laufen alle mit Mundschutz rum? Wieso dürfen wir an Ostern nicht Oma und Opa besuchen?

Wir haben uns irgendwie durchgebissen durch die drei Wochen vor den Osterferien. Auch ein wenig in der Hoffnung, dass es danach irgendwie wieder etwas mehr zurück Richtung Normalität geht. Es war ein Auf und Ab, es gab Chaos, Streit, zerbrochene Glastüren, Verletzungen und Tränen. Vor Wut und Traurigkeit. Weil die Kinder nicht ausgelastet waren. Sie ihren normalen Alltag vermissten. Mir wuchs alles über den Kopf und ich wollte einfach nur noch den Pause-Knopf drücken. Das schlechte Gewissen machte sich immer breiter, niemandem und nichts mehr gerecht zu werden. Der Berg an To-Dos wurde immer größer. Aber da waren auch positive Momente, in denen wir uns abends zusammen setzten und Dinge aufzählten, die an diesem Tag schön waren und gut liefen. Gegen Ende klappte es dann auch mit Mika-Flynns Aufgaben immer besser. Und auch Taavi verstand meistens, dass er ihn vormittags dabei nicht mehr stören und auch seinen Papa im Home Office in Ruhe lassen soll. Aber dennoch wollte ich mir noch nicht ausmalen, dass dieser Ausnahmezustand nach den Ferien weitergehen soll.

Aber nun, nach zwei Wochen Pause, in denen wir uns nicht mit Schulaufgaben auseinandersetzen mussten, mehr oder weniger in den Tag hinein lebten und auch Yannick zum Glück eine Woche Urlaub hatte, wird eben noch immer keine Normalität zurück kehren. Keine Schule, kein Kindergarten. Auf unbestimmte Zeit machen wir so weiter, wie bisher. Und ich sage es ehrlich, ich habe Angst. Weil ich weiß, dass ein geregelter Tagesablauf kaum umsetzbar sein wird, die Routine so einfach nicht einkehren kann. Nicht unter diesen Umständen, ohne Unterstützung, ohne Hilfe von außen. Ich fühle mich allein gelassen und wünsche mir zumindest irgendwelche Lösungsansätze. Aber alles bleibt wage und schwammig.

Am meisten leid tut es mir für meine Kinder. Denen ich einfach nicht das zu Hause bieten kann, was sie in der Schule und im Kindergarten vermittelt bekommen. Weil ich gleichzeitig auch noch ein kleines Baby habe, das mich braucht und das von geregelten Zeiten logischerweise noch reichlich wenig hält. Jeder kommt irgendwie zu kurz. Und das nagt an mir. Es tut weh.

Und wenn ich mir dann anhören oder lesen muss, dass ich doch einfach nur die dazu gewonnene Zeit genießen soll, entschleunigen und die kleinen Dinge wertschätzen – ja, dann muss ich kurz lachen. Denn es ist keine dazu gewonnene Zeit, wenn mein Schulkind Aufgaben hat, die fast den kompletten Tag füllen. Die es machen muss, weil die Lehrerin es im Anschluss kontrolliert, was ja auch gut so ist. Es sind keine Ferien, es ist keine Freizeit. Zumindest nicht bei uns. Und weil ich nicht möchte, dass Mika-Flynn den Anschluss verliert, auch wenn er “erst” in der ersten Klasse ist, lege ich eben auch wert darauf, dass er zu Hause nicht nur spielt. Dann aber auch noch ein Kindergartenkind und Baby bei Laune zu halten, während man versucht, Lehrerin fürs Schulkind zu sein, ist eben eine Herausforderung. Und die hat mit Genießen und Wertschätzen nichts zu tun, tut mir leid. Und deswegen nehme ich mir auch das Recht heraus, mal zu jammern, auch wenn ich das ungern mache. Denn eigentlich bin ich auch ein Mensch, der versucht, das Positive zu sehen und die kleinen Dinge im Leben gerne mehr genießen möchte. Aber angesichts der momentanen Lage ist das eben nicht immer so einfach.

Nein, es ist nicht so etwas wie verlängerte Elternzeit für uns. Auch keine Freizeit für mein Schulkind, in der es machen und tun kann, was es will. Und deswegen ärgere ich mich über solche Aussagen. Ja, das wichtigste ist es jetzt, gesund zu bleiben und diese Pandemie einzugrenzen und zu bekämpfen, aber deswegen sind wir trotzdem alle noch menschliche Wesen mit individuellen Bedürfnissen und Empfindungen. Und ich weiß, dass es anderen sicher viel schlechter geht. Ich bin dankbar für unseren Garten, in dem die Kinder zumindest etwas Auslauf haben. Andere Familien haben nicht einmal einen Balkon. Ich bin dankbar, dass mein Mann (und auch ich ) noch Arbeit haben und uns zumindest die finanziellen Sorgen erspart blieben. Wie muss es Menschen gehen, die in Kurzarbeit geschickt oder denen gar gekündigt wurde? Ja, es mag für manche vielleicht jammern auf hohem Niveau sein, aber wenn man nicht einmal mehr traurig, genervt und frustriert sein und über seine Gefühle sprechen darf, wie es einem in dieser momentanen Situation eben geht, dann weiß ich auch nicht mehr.

Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weiter geht. Und ja, ich hoffe auf das Beste und bin zumindest hier zuversichtlich. Vielleicht wünsche ich mir insgeheim auch, dass wir nächste Woche total motiviert und optimistisch in eine neue Runde Homeschooling und Kindergarten zu Hause starten. Ganz ohne Streit oder Frustration. Vielleicht ist es wirklich auch ein bisschen Einstellungssache. Nach Regen kommt Sonnenschein. Morgen ist ein neuer Tag. Irgendwas ist da wohl hoffentlich dran.

Nachtrag: Tag 1 nach den Osterferien ist noch nicht einmal zur Hälfte vorbei. Der Vormittag verläuft halbwegs in Ordnung, ich erkläre Mika-Flynn seine Aufgaben, die er auch noch recht motiviert abarbeitet. In dieser Zeit spielt Taavi bei Papa auf dem Dachboden. Nach dem Mittag geht es weiter. Während ich das Baby auf dem Schoß habe und dem großen Bruder die Uhr erklären soll, hüpft und turnt Taavi auf dem Sofa herum und macht dabei die ganze Zeit Lärm. Trotz mehrmaligem Bitten will er nicht in sein Zimmer gehen, während ich mit Mika-Flynn lerne. Auf einmal rumst es und er kommt hinterm Sofa hervor. Heulend. Zuerst bin ich wütend, dass er schon wieder nicht hören konnte, sich schon wieder in Gefahr gebracht hat, wie schon so oft in den letzten Wochen. Bis ich sehe, dass er blutet. Platzwunde am Hinterkopf. Alles rot. Haare, Kleidung, Fußboden. Er ist mit dem Kopf auf die Heizung hinterm Sofa geknallt. Bei mir brechen alle Dämme. Ich weine mit meinem Kind, bin verzweifelt und mag nicht mehr. Mika-Flynn holt Yannick, der ruhig bleibt und dabei hilft, Taavi zu versorgen. Es war nur der Schreck und keine halbe Stunde später tollt Taavi wieder durch die Gegend. Aber für mich ist der Tag gelaufen. Was erwartet uns noch in den nächsten Wochen? Monaten? Wie sollen wir das alle schaffen?

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