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Personal // Thoughts: Verpasse ich etwas, weil ich keine Tochter habe?

11. September 2018

Es ist mir schon öfter aufgefallen. In letzter Zeit wieder ganz besonders. Erst neulich, beim Scrollen durch Instagram. Eine Mutter, die nach mehreren Jungs ENDLICH eine Tochter bekommen hat. Wie froh sie doch wäre, dieses Glück zu erleben. Wie dankbar, nun auch Mädchenmama zu sein. Die Frauen, die ebenfalls Töchter haben und das kommentieren, können es so gut nachvollziehen. Es wäre einfach etwas ganz Besonderes und so schön.

Immer wieder höre oder lese ich, das Mädchen im Vergleich zu Jungs eben anders sind. “Jungs sind halt einfach laut und wild. Das liegt in ihrer Natur.” Mädchen wollen gefallen, spielen meistens brav und hören, wenn man etwas sagt.” Ist das wirklich so? Gibt es nicht auch hier solche und solche? Jungs, die eher zurück haltend und schüchtern sind und Mädchen, die keine Grenzen kennen und toben und raufen? Wie dem auch sei, werde ich das Gefühl nicht los, dass Frauen, die keine Tochter haben, sondern nur Söhne, oftmals (vielleicht auch unbewusst?) bemitleidet werden und sich solche Sachen anhören müssen. “Es sind eben Jungs.” Mensch, hättest du doch mal ein Mädchen bekommen, dann wäre es sicher nicht so anstrengend.

Wie oft habe ich es schon mitbekommen. Man ist bereits Jungsmama, verkündet die zweite Schwangerschaft. Wird es ein Mädchen, schreien alle: “Juchu, wie schön!”. Wird es wieder ein Junge, können viele ihre Enttäuschung kaum unterdrücken. Die Euphorie bleibt aus. “Na vielleicht klappt es ja dann beim Dritten doch noch mit einem Mädchen.” Und wenn nicht? Wenn ich eben eine reine Jungsmama bin und bleibe? Sind Jungs denn weniger Grund zur Freude? Verpasse ich etwas, nur weil ich keine Tochter habe? Und ist die Beziehung zu einer Tochter wirklich so anders? Besser, als die zwischen einem Sohn und seiner Mutter? Was genau ist es, was so besonders daran sein soll? Ich gebe zu, ich habe mir auch schon hin und wieder ausgemalt, wie es wohl sein wird, wenn meine Jungs älter werden. Wie sich unsere Beziehung entwickelt. Ich wünsche es mir aus tiefstem Herzen, dass sie mit ihren Sorgen und Problemen auch noch zu mir kommen werden, wenn es die Phase in ihrem Leben gibt, in denen ihre Eltern ihnen für alles, was sie machen, peinlich sind. Diese Momente, in denen sie sich trotzdem öffnen und sich uns anvertrauen, anstatt ihren Kummer in sich hinein zu fressen. Sie sollen wissen, dass ich immer für sie da sein werde, egal, was passiert. Ich persönlich kenne es nur aus der Tochter-Sicht. Und die Beziehung zu meiner Mutter war und ist immer sehr vertraut und offen gewesen. Ist es auch zwischen Müttern und ihren Söhnen so? Schließlich gibt es da sicher einige Themen, die man als Frau aus Sicht der Jungs sowieso nicht versteht. Und mit denen kommen sie dann vermutlich auch gar nicht erst zu einem. Ich würde gerne auch meine Erfahrungen teilen und Ratschläge geben, aber vielleicht wollen sie die gar nicht hören und eine Tochter könnte mehr damit anfangen. Mit diesen Dingen, über die eben nur Mädchen sprechen und die nur sie verstehen.

Hin und wieder frage ich mich tatsächlich, wie es wohl wäre. Nicht nur jetzt, sondern auch später diese Sachen zu machen, die insbesondere Mädchen eben schön finden. Denn unabhängig von dem Genderquatsch, den ich persönlich ja auch furchtbar finde, gibt es die eben auch. Gemeinsam Bummeln gehen, Zöpfe flechten, sich die Klamotten aus dem Schrank stibitzen lassen, Partnerlook tragen, die Nägel lackieren zum Beispiel. Aktuell lieben meine Jungs auch letzteres noch. Und Mika-Flynn klaut sich liebend gerne meinen Schmuck und trägt ihn ganz stolz. Aber wie wird das in ein paar Jahren sein? Werde ich auch als Mama sein Vorbild bleiben? Kann ein Sohn, ein Junge, sich denn überhaupt wünschen, so zu werden, wie seine Mama? Kann ich als Mama meine Söhne als meine Mini-Mes bezeichnen oder darf ich das nur, wenn ich auch eine Tochter habe?

Meine Jungs sind laut und wild und es herrscht hier jeden Tag eine Lärmpegel, bei dem einem die Ohren klingeln. Sie hecken jeden Tag neue Dummheiten aus und insbesondere Taavi ist manchmal unberechenbar. Ich gebe zu, manchmal wird mir das zu viel. Ich würde am liebsten flüchten, um dieses Gezanke und Gestreite um irgendwelche Autos und Spielsachen, die der eine gerade hat und der andere nun aber auch haben möchte, nicht mehr ertragen zu müssen. Schießgeräusche, Sirenenlaute, schrille Töne und lautes Gebrüll. Typisch Jungs? Ja, ich bin gerne eine Frau, habe als Mädchen mit Barbies und Puppen gespielt, mochte schon immer pink und rosa. Habe gemalt, gezeichnet, war kreativ. Und konnte mich auch ruhig und leise beschäftigen. Ich frage mich, ob meine Tochter genauso wäre. Oder ob sie mit all dem ja vielleicht gar nichts anfangen könnte und lieber zusammen mit den Jungs durch Matsch jagen und brüllend auf Bäume klettern würde. Schließlich hätte sie ja bereits die besten Vorbilder.

Ich würde mir diese Gedanken vermutlich gar nicht machen, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass die Gesellschaft da immer noch einen gewissen Druck ausübt und versucht, Einfluss zu nehmen. Die perfekte Vorzeigefamilie aus Fernsehen und Werbung besteht aus Mama, Papa, Sohn und Tochter. Ein Pärchen, wie schön. Hast du nur Söhne, wirst du mitleidig belächelt. Hast du nur Töchter, kommt vermutlich von irgendjemandem der Spruch, dass es der Vater da ja aber sicher schwer hat unter all den Frauen. Und wenn du dann so Sachen liest, die dir das Gefühl geben, dass eine Tochter ja wirklich nochmal was ganz Besonderes und so anders ist, als die Söhne, mit nichts davor zu vergleichen, dann stimmt dich das eben nachdenklich.

Und gleichzeitig ärgere ich mich, dass ich mir überhaupt den Kopf darüber zerbreche. Ich liebe meine Jungs aus tiefstem Herzen und würde sie gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen. Egal wie wild und laut und chaotisch und frech sie manchmal auch sein mögen. Denn gleichzeitig sind sie noch so viel mehr. Sensibel und verletzlich. Klug und mitfühlend. Neugierig und wissbegierig. Verträumt und nachdenklich. Sie sind meine Rabauken, meine zwei Wirbelwinde. Meine Söhne. Ein Teil von mir. Ich bin stolz und dankbar, ihre Mama sein zu dürfen. Und ich bin der Meinung, dass alles seinen Sinn hat. So wie es ist. Und so wie es kommt. Und wenn sich vielleicht ja irgendwann noch eine kleine Seele auf den Weg zu uns machen möchte, dann bin ich gespannt, ob die Jungs erneut Verstärkung bekommen oder ich mich ja doch noch davon überzeugen kann, wie das so ist mit einem Mädchen.

Wie ist es denn bei euch? Haben die reinen Jungs- oder auch Mädchenmamas unter euch das Gefühl, etwas zu verpassen? Und was sagen die, die beides haben? Ist es denn wirklich so anders? Verpasst man als Frau etwas, wenn man keine Tochter großziehen kann?

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7 Comments

  • Reply Marli 12. September 2018 at 10:49

    Also ich bin bis jetzt „nur“ Mama von einem Jungen & hätte mir bis dato noch nie den Gedanken gemacht wie es mit nem Mädel wäre oder ob ich was versäume.
    Wor wünschen uns in ein paar Jahren noch ein Geschwisterchen & die Vorstellung wär auch ein Mäderl. Aber insgeheim wäre noch ein Sohn einen Tick toller ^^
    Denn irgentwie kann ich es mir (derzeit) gar nicht vorstellen wenn sich alles um Kleidchen, Barbies, Rosa und Co dreht ? bin zwar ein Modemädchen, aber mit diesem übertrieben niedlichen (rosa) Kram kann ich eher nix anfangen. Aber da wächst man wohl bestimmt rein ?

    • Reply Nathalie 12. September 2018 at 20:11

      Wer weiß, vielleicht ginge es mir dann auch so, dass ich so gewöhnt an das Leben mit den Jungs, erst einmal überfordert wäre mit den doch für Mädchen eher typischen Dingen. 😀 Aber da hast du recht: Man wächst ganz sicher hinein und kann es sich irgendwann gar nicht mehr anders vorstellen.

  • Reply Madeleine 12. September 2018 at 11:01

    Liebe Natalie, danke für deinen ehrlichen Post und deine Gedanken. Ich hatte ähnliches schon mal gelesen. Allerdings von einer Mutter, die vier Töchter hat und sich ähnliches anhören muss, wenn sie mit der ganzen Bande unterwegs ist. Und sie empfand die Kommentare teils schon übergriffig. Denn auf gewisse Weise werden durch solche Kommentare ja das jeweils andere Geschlecht abgewertet. Was totaler Irsinn ist und einfach menschenunwürdig.
    Ich habe eine Tochter, mein erstes Kind und einen Sohn. Natürlich sind die beiden unterschiedlich und auch die ersten Monate/Jahre waren mit beiden unterschiedlich. Ich begründe das aber eher auf die Tatsache, dass beide einfach mal auch zwei verschiedene Menschen sind und sich mit einem neuen Mitglied in der Familie auch ganz andere Dynamiken entwickeln. Wo ich persönlich auf jeden Fall Unterschiede sehe, ist das die Beziehung zu meiner Tochter viel konfliktbehafteter bzw explosiver ist, als die zu meinem Sohn. Ich glaube, dass bei Mutter und Tochter generell mehr Konflikte entstehen und wenn es das erste Kind ist, sowieso. Da hat man sich in seiner Rolle als Mutter noch nicht so gefunden und das Kind ist in gewisser weise Versuchskaninchen 😉
    Ich finde nicht, dass du etwas verpasst, wenn du kein Mädchen hast. Die Natur hat euch nun mal zwei Jungs geschenkt und ich habe da immer die Aussage einer lieben befreundeten Hebamme im Kopf: man bekommt genau das, was man schaffen kann.
    Liebe Grüße

    • Reply Nathalie 12. September 2018 at 20:56

      Ich danke dir sehr für deine ehrlichen Worte.
      Ja, manchmal sind solche Kommentare wirklich übergriffig, vor allem, wenn die Person, die sie äußert, felsenfest davon überzeugt und der Meinung ist, man würde das gleiche denken. Jedes Geschlecht ist gleich wert und niemand sollte das Gefühl haben, das eine oder andere wäre besser oder schlechter.
      Interessant zu lesen, dass du die Beziehung zu deiner Tochter als konfliktbehafteter siehst. Das verdeutlicht ja nur, dass nicht immer alles nach Schema F abläuft.
      Der Satz der Hebamme rührt mich wirklich sehr. Danke, dass du ihn mit mir geteilt hast. <3

  • Reply Miriam 12. September 2018 at 11:50

    Also ich kriege noch eine Tochter (zu unswrer Großen dazu) und finde am schönsten, dass Baby Nr. 2 auch gesund zu sein scheint. ? Kann deine Gedanken natürlich etwas nachvollziehen. Meine Tochter ist auch laut, wild und stressig, kein Bisschen typisch. ?? Alle meinen immer, ich wäre eine tolle Jungenmama. ? Bin jetzt eine tolle Mädchenmama – auch schön. ☺️
    Und falls es Dich irgendwie beruhigt: Mein Mann hat ein tolles Verhältnis zu seiner Mama, offen, ehrlich und einfach schön! ?

    Ganz liebe Grüße.
    Miriam

    • Reply Nathalie 12. September 2018 at 20:08

      Oh, wie schön! Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur erneuten Schwangerschaft. 🙂
      Ich danke dir für deine Worte. Du hast so recht – letztendlich ist es doch am wichtigsten, dass es dem Kind gut geht und es sich so entwickelt, wie es sein soll. Ganz unabhängig vom Geschlecht.
      Schön, dass dein Mann zu seiner Mama auch ein tolles Verhältnis hat. Ich wünsche mir sehr, dass es zwischen meinen Jungs und mir auch (immer) so sein wird.
      Alles Liebe und viele Grüße
      Nathalie

  • Reply Sarah 13. September 2018 at 8:12

    Ich habe zwei Söhne und eine Tochter. Und ich kann nur sagen das meine Tochter dem Großen was Lautstärke und Temperament angeht um nichts nachsteht. Mein kleiner Sohn ist gerade erst 2 Monate alt, meine Tochter ist das Sandwichkind und wird bald 6 Jahre. Ich fand dieses Alter auch bei meinem Großen sehr anstrengend und bei ihr kommt jetzt die Eifersucht auch noch dazu. Aber sie ist immer bei den großen Jungs dabei, auch wenn es um sehr wilde und laute Spiele geht. Ich finde auch das es bei jedem Menschen eine Sache des Karakters ist wie wild und ruhig man ist, verstehe aber auch das man etwas wehmütig ist wenn man “nur” ein Geschlecht hat.
    Herzliche Grüße Sarah

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